(Von: Lower Class Magazine)
Die Bundesregierung schickte 2014 Waffen an den kurdischen Clanchef Mesud Barzani – angeblich zum Schutz der vom Islamischen Staat bedrohten Jesid*innen im Şengal-Gebirge. Doch am 3. März setzte der Bündnispartner Berlins selbst deutsche Bundeswehr-Dingos gegen Jesid*innen ein. Das Außenamt leugnet den Vorfall. Wir haben vor Ort recherchiert.
Vorspann
Der Ort, an dem wir vor zwei Wochen schliefen, um an dieser Reportage zu schreiben, existiert nicht mehr. In der Nacht zum 25. April bombardierte die türkische Luftwaffe die kleine Radiostation auf dem Gipfel des Berges Sengal im gleichnamigen irakischen Jesidengebiet. Wie viele der Reporter, die dort arbeiteten, in dieser Nacht gestorben sind, wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Es gab ein Frühwarnsystem, so viel wissen wir. Denn auch wir wurden eines Nachts evakuiert und mussten unter einem Felsen schlafen, weil die Bomber Ankaras über uns kreisten. Damals blieb es beim Show-of-Force, nun machte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ernst. Damals dachten wir: Er kann doch nicht ernsthaft die jesidische Minderheit angreifen, eine Bevölkerungsgruppe, die durch den Islamischen Staat so brutal terrorisiert wurde. Heute wissen wir: Er kann und die internationalen Reaktionen sind verhalten.
Die Luftschläge vom 25. April sind die ersten gegen diesen Region, seit sie 2014 von der Terrormiliz Islamischer Staat befreit wurde. Und so widersinnig es klingt: Sie waren abzusehen. Jeder Beobachter konnte wissen, dass sie stattfinden würden. Zum einen hatte Erdogan sie lange angekündigt. Zum anderen bildeten die Angriffe auf diese Region am 3. März, die in dieser Reportage beschrieben werden, den Vorlauf für die jetzigen Luftschläge.
Bei diesen Angriffen wurden auch deutsche Panzerfahrzeuge eingesetzt. Der Bundesregierung ist das bekannt, und doch leugnet sie es. In einer aktuellen – noch nicht öffentlichen – Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zum Thema behauptet sie: „Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, dass bei dem genannten Vorfall aus deutschen Unterstützungsleistungen stammende Waffen zum Einsatz gekommen sind.“ Wir haben zwei Wochen vor Ort recherchiert. Die Ergebnisse unserer Nachforschungen sind eindeutig. Uns liegen vier bislang unveröffentlichte Videos vor, die den Vorfall dokumentieren (I,II,III,IV).
Die Bundesregierung verschließt die Augen vor Tatsachen, die sie nur deshalb leugnen kann, weil sie sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, mit jenen Jesid*innen zu sprechen, gegen die deutsches Kriegsgerät eingesetzt wurde. Weiter zum Artikel